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Herausforderung Berufs- und Studienwahl - 9 Irrtümer aufgedeckt

Berufs- und Studienwahl der Kinder als Herausforderung für die ganze Familie

 
„Wer nichts wird, wird Wirt. Wer gar nichts wird, wird Gast und fällt dem Wirt zur Last. Und wem beides nicht gelungen, der macht in Versicherungen.“ - deutsches Sprichwort

 

Der Bauer, die Haushälterin, der Handwerker, die Hebamme, der Soldat, die Ordensfrau, der Knecht, die Magd: es ist noch nicht so lange her, da waren die Berufe für Jugendliche nicht frei wählbar. Die Familientradition, der Stand, die Zunft, Geografie und Ökonomie haben die Richtung bestimmt. Söhne und Töchter haben sich mit mehr und weniger Freude darauf einlassen müssen.

Heute sind es hunderte Möglichkeiten an Ausbildungs- und Studiengängen vor denen Jugendliche stehen. Beneidenswert? Ja, auf jeden Fall - aber es braucht tatsächlich Vorbereitung.

Schule, Agentur für Arbeit, Berufsberatungen, Literatur, Messen, Internet…es mangelt nicht an Information über das Thema. Nur - welche Information kann ich für mich verwerten? Wo ist der Baum inmitten von Wäldern?

Es gibt aus unserer Sicht ein paar klassische Irrtümer in Kontext der Zukunftsgestaltung Jugendlicher. Wir haben neun für Sie aufbereitet:

 

1. Berufspläne sind etwas, was irgendwann entsteht.

Das ist zwar eine feine, selbstentlastende Konstruktion, in den meisten Fällen aber ein Trugschluss. Berufspläne dürfen durchaus entstehen, die Antennen der Suchenden sollten allerdings stets auf Empfang gerichtet sein. So können Praktika, Gespräche mit Berufsleuten aus unterschiedlichen Branchen, FSJ oder eine vorangegangene Ausbildung wichtige Puzzleteile liefern für das spätere Berufsbild: Was macht mir an den Tätigkeiten Freude? Was überhaupt nicht? In welchen Aufträgen spüre ich Leidenschaft? Wo kriege ich gutes Feedback? Liebe ich die Praxis mehr wie die Theorie oder welche Mischung machts für mich? 

Auch wer (noch) keine klaren Berufs- oder Studien/Ausbildungsbilder in sich hat, kann sich die innere Beobachtungsinstanz im Alltag einschalten. Sie wertet meine Tätigkeiten im Alltag aus: Womit ging es mir heute gut? Wann und wo muss ich mich immer zwingen? Nach und nach entstehen wichtige eigene Rahmenbedingungen, an denen ich dann Berufsbilder abgleichen kann.

 

2. Die erste Wahl muss sitzen!

Dagegen ist nichts einzuwenden. Wunderbar, wenn es klappt. Die Berufs- oder Studienwahl ist aber von so vielen Unbekannten und Variablen beeinflusst, dass ich es selber noch so gut planen kann, es könnte auch immer anders kommen.

Beispiele: "Ich habe es klar, Raumausstatterin ist mein Beruf!" - Leider stimmt von Anfang an die Chemie zwischen Lehrmeisterin und mir überhaupt nicht. "Wirtschaftsmathematik soll es sein - da sehe ich mich in Studium und Beruf!" - Die Zusage aus Mannheim kommt. Ich ziehe mit Sack und Pack aus und merke aber, Universität und Stadt gefallen mir überhaupt nicht.                                                                                                 "Ich freue mich auf die Ausbildung bei der Polizei. Das war immer unter meinen Top 3." - Allerdings merke ich nach und nach, dass Schichtdienste überhaupt nicht meins sind.

Im Vorfeld macht man Tests, informiert sich, geht vor Ort…. Dennoch kann es sein, dass ein Plan B oder C her muss. Das ist überhaupt nicht schlimm. Wichtig ist, dass ich jetzt gut plane, den Wechsel organisiere und diesen nicht als Niederlage, sondern als Chance begreife.

 

3. Das Hauptkriterium in meiner Wahl ist der Arbeitsmarkt.

Der Arbeitsmarkt zeigt sich im Verlauf sehr wechselhaft und auch nicht wirklich klar. Zwar gibt es regelmäßig Prognosen von unterschiedlichen Instituten und Ansagen, wo es in Zukunft sichere Jobs gibt und wo eher abgebaut wird. Wer sich die Mühe macht, sich in unterschiedliche Prognosen einzulesen, bleibt ratlos zurück. Frisst jetzt die Digitalisierung Jobs oder baut sie welche auf und welche genau? Welche Tätigkeiten sind davon betroffen? Wie viele Lehrkräfte braucht es denn jetzt wirklich in den nächsten Jahren? Könnte es sein, dass wieder einige auf der Straße stehen nach dem Studium?

 Wenn es ein untrügliches Kriterium für meine Wahl gibt, dann ist es Leidenschaft für ein Thema oder für bestimmte Tätigkeiten. Wer leidenschaftliche Soziologin oder leidenschaftlicher Archäologe ist, wird später keine Not haben auf dem Arbeitsmarkt. Erfolgreichen Berufsleuten sagt man zwei Eigenschaften nach: Beharrlichkeit und Leidenschaft. Wer also leidenschaftslos BWL studiert, nur um nachher vermeintlich einen Job zu kriegen, ist meist auf dem Holzweg.

 

4. Ich muss ausschließlich mich in den Blick nehmen - es ist meine Wahl!

Das ist eines der größten Missverständnisse, dem wir aufsitzen können. Unsere individualistische Gesellschaft mit hoher Verantwortung für Einzelne verliert aus dem Auge, dass wir immer auf Schultern von Generationen sitzen, die uns im Guten und weniger Guten geprägt haben. Diese Prägungen oder auch Familienkulturen haben wir quasi eingeatmet und sie sind Teil von uns. Das gilt natürlich auch in Bezug auf Berufe. Dabei geht es nicht darum, dass die Tochter einer Ärztefamilie auch wieder Medizinerin wird. Aber es geht um das Aufdecken von Tendenzen. Was bedeutet in meiner Familie Geld verdienen? Wieviel Sicherheit ist nötig? Was heißt Erfolg, Fehler machen? Wie viel Freiräume braucht es beim Arbeiten? Komme ich aus einem Unternehmerhaushalt oder habe ich Beamte als Eltern? Wieviel Künstlerisches, Handwerkliches oder Verwaltendes habe ich mitbekommen?

Die Spurensuche in der Herkunftsfamilie gibt äußerst wertvolle Impulse für den eigenen Such- und Findungsprozess. Trotzdem muss es natürlich meine Wahl bleiben, es ist und bleibt mein Leben, das ich für mich bestmöglich auf den Weg bringen will.

 

5. Ich muss für einen schnellen Ausbildung- und Studienstart sorgen

Vor allem Eltern forcieren gelegentlich den unmittelbaren Start nach Mittlerer Reife oder Abitur. Dem können natürlich durchaus legitime finanzielle Überlegungen zugrunde liegen, das ist dann auch verständlich.

Folgende Übung kann jede*r für sich machen und dann entscheiden:

Wenn ich für mich ganz simpel einen Zeitstrahl aufs Papier male von 0 - ca. 90 Jahre. Dann zeichne ich den Heute-Punkt mit etwa 18 Jahren ein, dann den Punkt 69 Jahre als wahrscheinliches Ende der Erwerbsarbeit. Ich kann dann eine ganz lange Spanne Zeit von rund 50 Jahren sehen. In dieser Zeit werde ich statistisch gesehen bis zu siebenmal meine Tätigkeiten wechseln und mich dauernd beruflich verändern und weiterentwickeln. Ich sehe aber auch die Zeit, in der ich in meine Karriere einsteigen möchte. Ich sehe Familienglück, eingebunden sein in eine Community.

Die Zeit zwischen Schulabschluss und Ausbildungs- oder Studienbeginn ist eine äußerst wertvolle, freie, ungebundene Zeit, die so später aus genannten Gründen nicht mehr wieder kommt. Will ich die nicht nutzen für einen Tapetenwechsel: Auslandserfahrungen, Praktika, FSJ oder ähnliches?

 

6. Berufs- oder Studienwahl hat nichts mit Ablösung vom Elternhaus zu tun.

Doch hat sie! Und wie! Selbst wenn Kinder das Kinderzimmer erstmal nicht verlassen. Sie kommen doch mit ihrem neuen Umfeld stärker in autonome Felder. Die Sozialkontakte ändern sich und mit ihnen Söhne und Töchter.

Markanter ist natürlich die räumliche Distanz. Der Auszug in WG, Wohnung oder Wohnheim. Auf einmal zählt die Familie am Tisch eine*n weniger, die Dynamik verändert sich. Nach und nach müssen sich Eltern wieder als Paar erfinden. Kinder, die oft stabilisierend auf Paarbeziehungen wirken, stehen nicht mehr zur Verfügung.

Aus der Beratung wissen wir, dass Kinder nicht einfach das Hotel Mama ausnutzen, sondern dass viele Kinder unbewusst fürchten, dass wenn sie gehen, das Familien- und Paarsystem gefährdet ist. Viele Eltern haben sich während der sogenannten Rush-Hour des Lebens als Paar aus den Augen verloren. Höchste Zeit, dass es mit der Veränderung der Kinder eine Veränderung von Eltern- in Partnerschaft gibt.

 

7. Lieber studieren als Ausbildung…

….dann kann ich später mehr verdienen! Das stimmt so nicht. Wer eine Ausbildung macht, sich kontinuierlich weiterqualifiziert oder sich später selbständig macht, kann genauso gut verdienen wie ein*e Akademiker*in.

Wer sein Studienfach nicht klar bekommt, investiert seine Zeit besser in eine Ausbildung, statt in das Try-and-Error-Spiel an der Hochschule. Während der Ausbildung hat man nochmals zwei bis drei Jahre Zeit sich zu entwickeln und Erfahrungen zu machen.

 

8. Eltern dürfen sich nicht in die Pläne ihrer Söhne und Töchter einmischen

Doch - dürfen und sollten Sie! Die Jugendstudien der letzten Jahre attestieren Eltern, Müttern zumal, von Seiten der Kinder eine hohe Beratungskompetenz. Es interessiert Kinder immer (auch wenn sie es nicht verbal einfordern), was Eltern von ihren Plänen halten.

Und wenn Eltern sich zurückhalten aus falscher Bescheidenheit, vergessen sie, dass sie immer eine Idee für Sohn und Tochter haben. Alle Eltern haben das! Sagen sie ihre Ideen nicht, wirken sie trotzdem auf die Kinder - leider oft in diffuser Art und Weise. Jugendliche wissen dann nicht zuverlässig, ob ihr Weg auch im Sinne der Eltern ist oder diese enttäuscht.

Margaret Mead, eine bekannte Ethnologin schrieb einmal, dass in Familien sehr wenig gesprochen würde, aber wahnsinnig viel kommuniziert.

Wer Missverständnissen vorbeugen will, spricht mit seinen Kindern!

 

9. Zähne zusammenbeißen ist besser wie Abbruch und Wechsel

Zähsein und Beharrlichkeit sind grundsätzlich gute Eigenschaften. Beginnen sie aber an der Gesundheit zu nagen, sollte schleunigst etwas geändert werden. Immer wieder denken Jugendliche und Eltern, dass ein Abbruch ein Makel im Lebenslauf darstellt und versuchen diesen vermeintlichen Karrierekiller zu vermeiden. Das ist ein zähes Klischee. Lebensläufe sind heute äußerst dynamisch, von Wechseln gekennzeichnet und mit zeitlichen Lücken im Prozess. Wichtig ist, dass ich meine berufliche Vita attraktiv, selbstbewusst und zielführend im Lebenslauf beschreibe und im Vorstellungsgespräch erzähle.

 

Bei weiteren Fragen oder Interesse an einem Coaching, vereinbaren Sie einen Termin telefonisch oder per Mail. Wir beraten Söhne und Töchter mit ihren Eltern(teilen) vor, während und nach der Wahl.

Ihre Coachingmeisterei

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